Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Sonntag, 19. Mai 2019

Doch seit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes, sagt Wenderoth, gingen Wohnungsämter in Berlin mit äußerster Härte gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum vor.

Symbolbild: Eine Frau richtet ein Sofa in einer Ferienwohnung in Berlin her. (Quelle: dpa/Spata)
Bild: dpa/Spata

Verstöße gegen ZweckentfremdungsverbotAnwalt warnt Airbnb-Gastgeber vor drakonischen Strafen


    Seit August gelten in Berlin schärfere Regeln für Ferienwohnungen. Doch auf Plattformen wie Airbnb ist davon kaum etwas zu spüren: Nur die wenigsten Gastgeber sind bisher registriert. Airbnb lasse Vermieter ins offene Messer laufen, warnt ein Anwalt. Von Daniel Marschke
    Ein junger Mann aus Friedrichshain-Kreuzberg traut seinen Augen nicht: Mitte September erhält er vom Bezirksamt einen Bußgeldbescheid von über 30.000 Euro. Begründet wird die drastische Strafe mit einem Verstoß gegen das neue Berliner Zweckentfremdungsverbot-Gesetz (ZwVbG). Sinn und Zweck des Gesetzes: die Beherbergung von Touristen in Wohnungen zu unterbinden.
    Vor Gericht wird der Mann von Lukas Andreas Wenderoth vertreten. Der Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht hält die Höhe des Bußgeldes für unverhältnismäßig. Schließlich habe sein Mandant nichts weiter getan, als seine Wohnung tageweise auf Airbnb anzubieten. Mit den Einnahmen habe er die Kosten bestritten, die durch Wochenend-Reisen nach Norddeutschland entstanden, wo seine Partnerin lebt. Doch seit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes, sagt Wenderoth, gingen Wohnungsämter in Berlin mit äußerster Härte gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum vor.

    Bei Verstößen werden bis zu 500.000 Euro fällig

    Wer Berlin-Touristen über Airbnb oder vergleichbare Portale in seiner Wohnung wohnen lässt, muss sich dafür seit dem 1. August 2018 in jedem Fall registrieren lassen. Zuständig für die Registrierung sind die Bezirksämter. Mithilfe des ZwVbG sollen sie den ohnehin knappen Wohnraum in Berlin besser schützen. Wer gegen das neue Gesetz verstößt, riskiert drakonische Strafen: Bis zu 500.000 Euro Bußgeld sind fällig, wenn eine Wohnung ohne die erforderliche Registriernummer angeboten wird.
    Wenderoth warnt ausdrücklich davor, das neue Gesetz auf die leichte Schulter zu nehmen. Auch, wer seine Wohnung nur für wenige Tage auf Airbnb anbiete, müsse dies genehmigen lassen, erläutert Wenderoth. Wer nur ein einzelnes Zimmer bzw. weniger als die Hälfte der gesamten Wohnung anbieten möchte, benötigt lediglich eine dreizehnstellige Registriernummer des Bezirksamtes - diese ist kostenfrei erhältlich. Doch offenbar haben sich diese Vorschriften noch nicht allzu weit herumgesprochen. Auf Airbnb hat sich jedenfalls noch nicht sehr viel getan.

    Sehr viele Airbnb-Angebote verstoßen gegen das Gesetz

    Seit vier Monaten gilt die neue Registrierungspflicht. Seitdem ist die Zahl der angebotenen Wohnungen zwar merklich zurückgegangen - um knapp 18 Prozent von 16.549 Mitte Juli auf 13.644 zum Stichtag 7. November.  Doch die wenigsten Angebote sind gesetzeskonform. Von den derzeit aktiven Wohnungsangeboten* geben nur 1.242 (9,1 Prozent) ihre Registriernummer an. Mit anderen Worten: Rund 90 Prozent der bei Airbnb geschalteten Inserate könnten möglicherweise gegen die derzeit geltende Gesetzeslage verstoßen. Außnahmen gelten für Ferienunterkünfte in Gewerbeeinheiten. Wie hoch die Dunkelziffer ist, lässt sich seriös nicht schätzen. Weitere 1,3 Prozent der Angebote machen Ausnahmen vom Zweckentfremdungsverbot geltend. Dabei handelt es sich nach Angaben häufig um sogenannte Serviced Apartments oder um "Boutique"-Hotels.
    Sollten Ihnen die Daten nicht korrekt angezeigt werden, klicken Sie bitte hier.

    Airbnb: "Wir stellen nur die Plattform"

    Airbnb sind die Zahlen bekannt, allerdings verweist das Portal darauf, dass die Gastgeber selbst für ihre Angebote verantwortlich sind. "Wir stellen nur die Plattform, auf der die Nutzer ihre Inserate veröffentlichen können", sagt Isabelle von Klot, Pressesprecherin von Airbnb für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Umfangreiche Informationen über die jeweilige Gesetzeslage in den einzelnen Städten seien auf der Website hinterlegt und für jeden Airbnb-Nutzer einsehbar.
    Tatsächlich finden sich im Hilfebereich von Airbnb für Berlin [airbnb.de] nicht nur Auszüge aus dem neuen Zweckentfremdungsverbot-Gesetz, sondern auch Links auf den vollständigen Gesetzestext, auf weiterführende Informationen des Senats sowie ein Verweis auf das Übernachtungssteuergesetz von 2013 ("City Tax"). Ebenfalls verlinkt sind die Webseiten der einzelnen Bezirksämter, die für die Genehmigung zuständig sind. Vorbeugend heißt es: "Einige der Gesetze, die dich betreffen können, sind kompliziert. Wenn du Fragen hast, solltest du dich an die entsprechende Behörde wenden oder von einem Anwalt beraten lassen."

    "Denunziantentum in Berlin ist weit verbreitet"

    Fachanwalt Wenderoth hält das für eine billige Lösung: "Im Grunde lässt Airbnb die Nutzer damit ins offene Messer laufen", sagt der Jurist und warnt Airbnb-Gastgeber, die noch immer keine Registriernummer beziehungsweise keine Genehmigung haben, vor unkalkulierbaren Risiken. Einige der Berliner Wohnungsämter würden Verstöße gegen das neue Gesetz mit großer Härte ahnden. Zudem warnt der Jurist aus seiner täglichen Praxis: "Das Denunziantentum in Berlin ist weit verbreitet."
    So hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen sogar ein Formular ins Netz [stadtentwicklung.berlin.de]gestellt, mit dem zweckentfremdete Wohnungen gemeldet werden können. Meistens, so Wenderoth, seien es Nachbarn, die Verdacht schöpfen - "entweder, weil Airbnb-Gäste Party machen oder mit ihren Rollkoffern den Hausflur beschädigen - oder weil sie nachts ganz einfach an der falschen Wohnung klingeln." Inzwischen gingen bei den Ämtern so viele Meldungen ein, "dass die Behörden gar nicht mehr hinterherkommen".

    Friedrichshain-Kreuzberg verfolgt Verstöße besonders konsequent

    Als besonders aktiv bei der Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbots gilt Friedrichshain-Kreuzberg. Das Engagement kommt nicht von ungefähr, schließlich ist der Bezirk bei Berlin-Touristen besonders beliebt, so dass es dort auch besonders viele Ferienwohnungen gibt.
    Wie die Datenrecherche von rbb|24 ergeben hat, wurden auf Airbnb in den vergangenen zwölf Monaten 3.212 Wohnungen in Friedrichshain-Kreuzberg angeboten. Davon hatten jedoch nur 290 eine Registriernummer, das entspricht 9 Prozent. Der Bezirk vermutet daher massenhafte Verstöße gegen geltendes Recht: "Wir setzen in unserem Bezirk das Zweckentfremdungsverbot mit allen im Gesetz genannten restriktiven Möglichkeiten durch", sagt Sara Lühmann, die Pressesprecherin des Bezirks.

    321 Verfahren seit Anfang August eingeleitet

    Unumwunden gibt Lühmann zu, dass der Bezirk bei der Bekämpfung illegaler Ferienwohnungen auf die Mithilfe der Berlinerinnen und Berliner angewiesen ist: "Wir gehen jeder Anzeige aus der Bevölkerung nach. Weiterhin recherchieren wir auch selbständig im Internet in den bekannten Ferienwohnungsportalen." Zurzeit seien sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Thematik beschäftigt. Ein Aufwand, der sich offenbar lohnt.
    In den ersten drei Monaten seit Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbots, also zwischen Anfang August und Ende Oktober, seien insgesamt 321 Verfahren eröffnet worden, teilte Lühmann rbb|24 auf Anfrage mit. Ein Teil davon habe sich gegen Eigentümer gerichtet - damit diese dafür sorgen, "dass die Wohnungen in einen gesetzeskonformen Zustand versetzt werden". Größtenteils habe es sich jedoch um Ordnungswidrigkeitenverfahren gehandelt, die sich gegen den eigentlichen "Zweckentfremder" richten, also in der Regel gegen den Mieter der Wohnung.
    Konkrete Angaben über die Höhe der zuletzt verhängten Bußgelder seien schwierig, sagt Lühmann. Das hänge ganz vom Einzelfall und der Schwere des Verstoßes ab. Einen Anhaltspunkt geben früher aufgedeckte Verstöße: So habe der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg seit 2015 Bußgelder in Höhe von 309.760 Euro verhängt, erklärte Lühmann. Wobei der Bußgeldrahmen mit dem neuen Gesetz deutlich angehoben wurde.

    Airbnb findet neues Gesetz "sehr, sehr abschreckend"

    Bei Airbnb hat man für das harte Durchgreifen der Berliner Behörden nur wenig Verständnis. "Wohnraumschutz ist extrem wichtig", sagt Pressesprecherin Isabelle von Klot. Doch dass Wohnungen auf Airbnb angeboten werden, bedeute nicht automatisch, dass sie dem Wohnungsmarkt nicht zur Verfügung stünden. Viele der Gastgeber auf Airbnb könnten ihre Wohnung nur nicht durchgehend nutzen, zum Beispiel aus beruflichen Gründen. Es sei daher legitim, wenn sie in diesen Zeiten ihren Wohnraum mit anderen "teilen" wollten.
    Das neue Berliner Gesetz solle "neuen Wohnraum schützen und es zum anderen Berliner Homesharern erleichtern, ihr Zuhause zu vermieten", sagt die Sprecherin, doch die vom Senat ergriffenen Maßnahmen seien "sehr, sehr abschreckend". Der bürokratische und unklare Genehmigungs- und Registrierungsprozess erschwere das Homesharing "und erfüllt nicht das Ziel des Gesetzes".

    DIE DATEN

    * Stand: 7. November 2018. Berücksichtigt wurden nur Anbieter, die in den zurückliegenden zwölf Monaten mindestens eine Gäste-Bewertung erhalten haben.
    Nicht jeder Gast hinterlässt eine Bewertung, aber hinter jeder Bewertung steht mindestens ein Gast. Davon ausgehend nutzt das rbb|24-Datenteam die Bewertungen, um daraus zu schließen, ob ein Gastgeber seine Wohnung/sein Zimmer aktiv anbietet. Das ist nötig, da die Airbnb-Buchungsdaten nicht veröffentlicht werden.
    Quellen: insideairbnb.com sowie AirDNA
    Sendung: Abendschau, 03.12.2018, 19:30 Uhr

    Beitrag von Daniel Marschke